Neuromorphe Computer in der industriellen Qualitätskontrolle

Ein neues Rechenparadigma

Neuromorphic Computing, eine Technologie, die darauf abzielt, die Effizienz und Verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns nachzubilden, eröffnet neue Möglichkeiten für anspruchsvolle Industrieanwendungen – insbesondere bei der visuellen Qualitätskontrolle in Echtzeit. Der Ansatz von Reply bietet dabei entscheidende Vorteile in puncto Energieverbrauch, Geschwindigkeit und Skalierbarkeit.

Das Gehirn als Blaupause nutzen

Der Begriff neuromorph beschreibt treffend, dass diese Form des Computings die komplexen Aktivitäten biologischer Neuronen in allen wesentlichen Aspekten nachbildet. Anders als im klassischen Deep Learning, wo das Neuron eher ein abstraktes Konzept darstellt, verfügen Neuronen in einem neuromorphen System über ein eigenes, ausgeprägtes Zeit- und Frequenzverhalten.

Im Zentrum steht dabei der sogenannte Spike, also der „Auslöser“. Innerhalb eines neuromorphen Chips summieren einzelne spikende Neuronen über die Zeit die eingehenden Signale – ähnlich wie die elektrische Spannung der Zellmembran bei ihren biologischen Vorbildern. Sobald diese interne Ladung einen definierten Schwellenwert erreicht, feuert das Neuron einen Spike und überträgt Informationen an andere Knoten im Netzwerk. Dieser ereignisgesteuerte Mechanismus bildet die Grundlage für Spiking Neural Networks (SNNs): von Natur aus dynamische, rekurrente Systeme, die besonders gut für die Verarbeitung zeitabhängiger Daten geeignet sind.

Zentrale Hardware-Architekturen

Die Hardware, die dies ermöglicht, lässt sich grob in zwei Typen unterteilen: vollständig asynchrone und teilweise asynchrone Systeme. In einem vollständig asynchronen System arbeitet jeder Kern im Chip mit eigener, unabhängiger Taktung und Frequenz – ein Design, das die sparsame und effiziente Arbeitsweise des Gehirns am treuesten widerspiegelt. Ein Beispiel hierfür ist Intels Loihi 2, derzeit einer der weltweit führenden neuromorphen Chips. Teilweise asynchrone Systeme hingegen führen die Verarbeitung innerhalb der einzelnen Kerne synchron aus, setzen für die Kommunikation zwischen den Kernen jedoch asynchrone Protokolle ein. Dieses hybride Modell ermöglicht signifikante Verbesserungen bei Hardwareeffizienz und Leistung. Zwei bekannte Chips, die dieses Konzept umsetzen, sind SpiNNcloud's SpiNNaker 2 und IBMs TrueNorth.

Unvergleichliche Energieeffizienz

Ein zentraler Vorteil neuromorpher Systeme ist ihre herausragende Energieeffizienz. In Szenarien, in denen der Stromverbrauch eine entscheidende Designbeschränkung darstellt, stellt diese Technologie einen bedeutenden Durchbruch dar. Neuromorphe Hardware kann bis zu 100-mal weniger Energie verbrauchen als herkömmliche CPUs und etwa 30-mal weniger als GPUs, wodurch sie besonders für Edge-Computing und großangelegte KI-Anwendungen interessant wird, bei denen Energieeinsparungen eine zentrale Rolle spielen.

Verbesserte Skalierbarkeit und Leistung

Die Architektur neuromorpher Systeme ist von Natur aus auf Skalierbarkeit ausgelegt. Sie lassen sich zu gigantischen Netzwerken erweitern; Plattformen wie Intels Hala Point verwalten über eine Milliarde Neuronen – eine Größenordnung, die für herkömmliche Systeme eine enorme Herausforderung darstellt. Diese Skalierbarkeit geht einher mit einem erheblichen Leistungssprung: Bei Aufgaben der Computer Vision können diese Systeme die Inferenzgeschwindigkeit um das 120-Fache steigern, was komplexe Entscheidungen in Echtzeit ermöglicht.

Intelligente Datenerfassung über Ereigniskameras

Neuromorphe Prinzipien kommen auch bei der Datenerfassung durch Ereigniskameras zum Einsatz. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kameras, die in festen Intervallen komplette Bilder aufnehmen und dabei häufig redundante Daten erzeugen, arbeiten Ereigniskameras asynchron. Sie erfassen Informationen nur dann, wenn sich die Helligkeit eines Pixels ändert. Das Ergebnis ist ein sparsamer, aber hochinformativer Datenstrom, der Speicher- und Verarbeitungsanforderungen erheblich reduziert. In einem praktischen Beispiel konnte ein ereignisbasiertes Verfahren ein 32-Gigabyte-Dataset auf lediglich 7 Gigabyte verkleinern.

Neuromorphe Computer in der Qualitätskontrolle

Das anspruchsvolle Gebiet der industriellen visuellen Qualitätskontrolle stellt eine ideale Anwendung für neuromorphe Technologie dar. Fertigungsumgebungen erfordern eine Echtzeit- und hochgenaue Fehlererkennung, eine Aufgabe, deren strenge Anforderungen an Geschwindigkeit und Effizienz perfekt mit den Fähigkeiten neuromorpher Systeme übereinstimmen.

Um diesem Bedarf gerecht zu werden, werden etablierte KI-Modelle für das neuromorphe Paradigma angepasst. Ein Beispiel ist Spiking-YOLO, eine neu gestaltete Version des bekannten YOLO-Objekterkennungsrahmens. Dieses Modell nutzt spiking Neuronen zur Verarbeitung visueller Daten. Die spezifische Architektur, die in einem aktuellen Projekt verwendet wird, ist eine hochoptimierte Implementierung, die Berechnungsschichten zusammenführt, um die Effizienz für den Einsatz auf neuromorpher Hardware zu verbessern.

Multi-Objekterkennung für autonomes Fahren

In einer praktischen Anwendung zur Multi-Objekt-Erkennung für autonomes Fahren wurde ein Datensatz von Fahrvideos mithilfe eines Simulators in ein ereignisähnliches Format konvertiert. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Solange sich das Fahrzeug in Bewegung befand, erfassten die ereignisbasierten Daten den vollständigen Kontext der Umgebung, einschließlich anderer Fahrzeuge und der Landschaft. Sobald das Auto jedoch zum Stillstand kam, verschwanden die statischen Teile der Szene aus dem Datenstrom – ein anschauliches Beispiel dafür, wie das System automatisch den Fokus auf relevante Veränderungen legt.

Das Modell wurde zunächst auf dem Common Objects in Context (COCO)-Datensatz vortrainiert und anschließend auf dem BDD-Multi-Objekt-Datensatz weiter trainiert, wobei erste Inferenztests über einen klassischen Simulator durchgeführt wurden. Die nächste Entwicklungsstufe sieht vor, das Modell direkt auf den konvertierten ereignisbasierten Daten neu zu trainieren, um die Möglichkeiten der neuromorphen Hardware vollständig auszuschöpfen.

Zukunft der intelligenten Automatisierung

Neuromorphic Computing eignet sich hervorragend für den Einsatz auf Edge-Geräten, die in industriellen Umgebungen weit verbreitet, aber häufig durch begrenzte Hardware- und Speicherressourcen eingeschränkt sind. Die Kombination aus hoher Leistung, geringem Energieverbrauch und effizientem Speichermanagement macht neuromorphe Systeme zu einer idealen Lösung für Aufgaben wie die Echtzeit-Bilderkennung auf der Fertigungslinie.

Die Vision von Reply sieht eine Produktionslinie vor, in der eine Ereigniskamera kontinuierlich Produkte überwacht, während ein neuromorpher Chip Anomalien sofort erkennt und das Personal alarmiert – alles innerhalb der engen Grenzen eines Edge-Geräts. Auch wenn diese Algorithmen noch nicht für hochkomplexe kognitive Aufgaben ausgelegt sind, zeigt die Erfahrung von Reply, dass ihre aktuellen Fähigkeiten bereits einen bedeutenden Fortschritt für die intelligente industrielle Automatisierung darstellen

Data Reply, als Teil der Reply-Gruppe, unterstützt Kunden dabei, datengestützt zu werden. Data Reply ist in verschiedenen Branchen und Geschäftsbereichen aktiv und arbeitet intensiv mit Kunden zusammen, damit sie durch den effektiven Einsatz von Daten sinnvolle Ergebnisse erzielen können. Zu diesem Zweck konzentriert sich Data Reply auf die Entwicklung von Datenanalyseplattformen, maschinellen Lernlösungen und Streaming-Anwendungen - automatisiert, effizient und skalierbar - ohne Kompromisse bei der IT-Sicherheit.