Case Study

Linde Material Handling

Campaign Management und ein Digital Twin für den digitalen Gabelstapler.

Volldigitalisierter Gabelstapler

Der H20-35 der Baureihe 1202 von Linde Material Handling ist der weltweit erste volldigitalisierte Gabelstapler auf dem Markt. Im Vergleich zu bisherigen Fahrzeuggenerationen ist dieses Modell neben verschiedenen Sensoren mit einer komplett neu entwickelten elektrischen Hardware-Architektur auf Basis eines BUS-Systems und eines KCU-Konnektivitätsmoduls (KION Communication Unit) ausgestattet. Hier werden die Daten, zum Beispiel von eingebauten Beschleunigungs- und Traglastsensoren verarbeitet und über verschiedene Schnittstellen an die Außenwelt übertragen.  

Für die Anbindung des neuen Fahrzeugs an die Cloud hat sich Linde Material Handling Unterstützung von den IoT- und Cloud-Experten von Concept Reply geholt, die die Entwicklung eines Systems zur Planung und zum Ausrollen von Kampagnen sowie zur Visualisierung der technischen Parameter von Fahrzeugen übernommen haben. 

Die Vorteile des digitalen Gabelstaplers

Der Einsatz eines volldigitalisierten Gabelstaplers bringt zwei entscheidende Vorteile: Zum einen kann das Fahrzeug inklusive all seiner Funktionalitäten vollständig in der digitalen Welt als Digital Twin abgebildet werden. Das erleichtert es, seinen Einsatz in einer virtuellen Umgebung zu simulieren, zu planen und zu testen.

Auf der anderen Seite können während des Einsatzes Daten gesammelt werden, die dabei helfen den Zustand des Fahrzeugs zu analysieren und die Wartung vorausschauend zu planen. Insgesamt trägt die Digitalisierung dazu bei, Fehler frühzeitig zu erkennen, Störungen in realen Prozessen wie beispielsweise ungeplante Wartungszeiten zu reduzieren, und die Effizienz des Service am Fahrzeug insgesamt zu erhöhen.

Visualisierung des digitalen Zwillings

Die zentrale Komponente der neuen Architektur ist der Digital Twin, eine digitale Repräsentation des Fahrzeugs. Alle Modifikationen an der Fahrzeugkonfiguration spiegeln sich in der Veränderung des digitalen Zwillings wider. Concept Reply hat für Linde Material Handling eine Lösung entwickelt, die es ermöglicht, die Vielzahl technischer Parameter, die ein Digital Twin enthält, zu visualisieren. Hierzu zählen Versionsnummern der aufgespielten Soft- oder Firmware, Nutzungsdaten des Fahrzeugs, allgemeine Fahrzeugkonfigurationen, sogar Veränderungen an der Hardware lassen sich im Digital Twin verfolgen.

Die von Linde Material Handling vertriebenen Lagertechnikgeräte sind bei Kunden auf der ganzen Welt in Betrieb. Bisher waren die Servicetechniker der Netzwerkpartner vor Ort die einzige Möglichkeit, etwas über Änderungen an Hard- und Software oder den Allgemeinzustand eines Fahrzeugs zu erfahren. Durch die KCU kann der Zustand eines Fahrzeugs nun “Over-the-Air”, also über die Internetverbindung des Fahrzeugs ohne Einwirkung eines Technikers, ausgelesen beziehungsweise verändert werden.

Flottenmanagement

Der digitale Zwilling ermöglicht durch die durchgängige Verbindung zu den Fahrzeugen erstmalig ein Flottenmanagement in Echtzeit. Daten über Nutzungszeiten, zurückgelegte Strecken und Parkpositionen erlauben es dem Flottenmanager die Zuweisung einzelner Fahrzeuge an die Fahrer zu optimieren. Basierend auf den Nutzungszeiten können Softwareupdates und Wartungsintervalle von Fahrzeugen so geplant werden, dass der normale Betrieb nicht beeinflusst wird.

Konfigurationsmanagement

Diese Softwareupdates, die zum Beispiel das Schließen von Sicherheitslücken beinhalten, oder die Veränderung von Fahrzeugkonfigurationen, stehen im Mittelpunkt des von Concept Reply entwickelten „Campaign Management“-Systems. Servicemitarbeiter von Linde Material Handling können mit Hilfe dieses Systems für eine große Anzahl von Gabelstaplern gleichzeitig Updates planen und durchführen. Hierzu legt der Flottenmanager eine Kampagne an, in der die Fahrzeuge in sogenannte Rollout-Wellen aufgeteilt werden. 

Bei der späteren Durchführung der Kampagne werden diese sukzessive abgearbeitet. Das System unterstützt den Flottenmanager bei der Erstellung einer Kampagne, indem geprüft wird ob die avisierten Änderungen auf die Baureihe der ausgewählten Fahrzeuge anwendbar sind. Bei der späteren Durchführung kann sich der Flottenmanager durch ein Dashboard über den aktuellen Stand informieren – etwa über die Anzahl der fertigen Fahrzeuge oder die Verteilung der Fahrzeuge nach Status. 

Das entwickelte System dient darüber hinaus als Frontend für den digitalen Zwilling und ermöglicht Servicemitarbeitern für jedes Fahrzeug einen genauen Einblick in vergangene und geplante Änderungen der Fahrzeugkonfiguration und des Softwarestandes. 

Die technische Umsetzung

Bei früheren Fahrzeuggenerationen existierte lediglich eine feste Kombination aus Steuergeräten und dazu gehörigen Softwareständen. Durch die neue Architektur mit der direkten Verbindung (Wi-Fi, 3G, 4G oder zukünftig 5G) zu einem Fahrzeug ist es möglich, bestimmte Änderungen ohne direkte Einwirkung eines Technikers vor Ort durchzuführen. Der Zeitpunkt der Durchführung kann so gewählt werden, dass der Betrieb beim Kunden nicht beeinflusst wird. 

Bei der technischen Umsetzung wurde ein Microservice-basierter Ansatz gewählt. Alle Anwendungen werden in der Azure Cloud von Microsoft gehostet. Um dynamisch auf Veränderungen in der Auslastung des Systems zu reagieren kommt Kubernetes zum Einsatz. Die Kommunikation der Services untereinander erfolgt über REST oder unter Verwendung von Message Queues. Sowohl im Backend als auch im Frontend kommen neueste Technologien wie TypeScript, Nest.js und React zum Einsatz. 

Die fortlaufende Speicherung und Versionierung aller Fahrzeugzustände innerhalb eines digitalen Zwillings erlaubt, den kompletten Lebenszyklus eines Fahrzeugs, beginnend bei der Produktion am Fließband bis hin zur Ausmusterung, lückenlos in einer Historie abzubilden. Mithilfe der von Concept Reply entwickelten Lösung können Benutzer die Konfigurationen ihrer Fahrzeuge vergleichen sowie die Änderungen zwischen einzelnen Versionen eines Digital Twins leicht nachvollziehen.

Innerhalb eines Digital Twins stellt der sogenannte “as-build-Zustand” die Konfiguration eines Fahrzeugs nach Abschluss der Produktion dar. Soll eine Änderung auf ein Fahrzeug angewendet werden, wird ein “desired-state-Zustand” erzeugt, welcher durch einen Servicetechniker vor Ort oder “Over-the-Air” auf das Fahrzeug aufgespielt wird. Der “as-maintained-Zustand” beschreibt die aktuelle Konfiguration des Fahrzeugs.

Ein Blick in die Zukunft

Durch die dauerhafte Verbindung zu den einzelnen Fahrzeugen eröffnen sich dem Kunden viele neue Möglichkeiten. Er ist nun in der Lage, seine komplette Flotte zu beobachten und zu verwalten. Nützliche Software-Features können zukünftig auf Kundenwunsch – auch aus der Ferne, per Aktualisierung der KCU-Firmware – freigeschaltet werden.

Durch die verbaute Sensorik liefern die Fahrzeuge durchgängig Daten, die zentral analysiert und verarbeitet werden können und mit deren Hilfe sich die Effizienz des Fahrzeugservice und die Zuverlässigkeit des Fahrzeugs insgesamt steigern. Darüber hinaus ermöglichen die Daten die Entwicklung neuer, digitaler Geschäftsmodelle.

Linde Material Handling ist einer der weltweit führenden Hersteller von Gabelstaplern und Lagertechnikgeräten. Seit dem Jahr 2006 gehört Linde zur KION Group, dem weltweit zweitgrößten Hersteller von Flurförderzeugen und einer der führenden Anbieter von Automatisierungslösungen für die Intralogistik. Linde ist weltweit in mehr als 100 Ländern mit eigenen Niederlassungen vertreten. Zum internationalen Netzwerk des Unternehmens gehören mehr als 700 Vertriebs- und Servicestandorte.

Concept Reply ist ein auf die Erforschung, Entwicklung und Validierung innovativer Lösungen spezialisierter IoT-Softwareentwickler und unterstützt seine Kunden aus der Automobil-, Fertigungs- und Smart-Infrastructure-Industrie sowie anderen Branchen in allen Fragen rund um das Internet der Dinge (IoT) und Cloud Computing. Ziel ist es, End-to-End-Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette anzubieten: von der Definition einer IoT-Strategie über Testing und Qualitätssicherung bis hin zur Umsetzung einer konkreten Lösung.